Wir warten noch auf den „Achsel-Playboy“

(Wo sich der Sexappeal der Venus von Giorgione wirklich aufhält und von der Lust des Damenrasierers.)


Manche treiben einen regelrechten Kult um die Zentrale des Körpergeruchs, um die Achsel. (Die zwei nicht minder potenten Aromafilialen werden dagegen ja meistens von den Schuhen gut gehütet wie Geheimnisse und verdrängt wie Traumata: die Füße). Die einen, im speziellen die männlichen Seife- und Deo-Banausen, veröffentlichen die Sekrete ihrer Duftdrüsen wie Segnungen und gehen natürlich insgeheim davon aus, dass die anwesende Damenwelt, wenn sie ihren Achselexpressionismus, diese Harmonie aus Schweiß und Männlichkeit, nur lange genug auf sie einwirken lassen, augenblicklich in die Duldungsstarre verfallen muss wie eine Wildsau, die dem Steroid-Atem des Ebers ausgesetzt ist und den Eber dann nachsichtig über sich ergehen lässt.

Die andern handhaben ihr Faible für die Achsel etwas privater und haben in ihrem Spind an ihrem Arbeitsplatz eventuell ein Achsel-Pin-up hängen, den Kunstdruck einer Achsel-Ikone aus der Kunstgeschichte. Die „Ruhende Venus“ von Giorgione vielleicht, die mit den Reizen ihrer Achsel nicht geizt. (Diese nackerten Liebesgöttinnen lassen es sich ja fast nie nehmen, dem Betrachter, dem Fleischbeschauer, die Achsel geradezu wollüstig darzubieten.) Oder sie haben einen Rubens drin im Spind. Den „Raub der Töchter des Leukippos“. Eine der beiden speck- und zellulitisverwöhnten Mädeln lässt uns schließlich eintauchen in diese Intimregion, als wären wir Damenrasierer, denen ja auch nichts verborgen bleibt.

Einen aktuellen „Achsel-Playboy“ oder wenigstens einen Achsel-Erotik-Kalender mit den Achseln des Monats GIBT’S ja nicht. Und von Amüsierbetrieben wird der Achsel-Gourmet nicht minder sträflich vernachlässigt. Nirgends Go-go-Achseln, nackt, wie die Enthaarungscreme sie schuf. Oder eine Achsel-Peepshow. Mit Stripperinnen, die sich genüsslich den Ärmel hochkrempeln. Und weit und breit keine Rotlichtbar mit Animierachseln, die sich zu sündhaft überteuerten Deorollern einladen lassen. Um dann in Separees ihre geilen Achselfrisuren vorzuführen, ihre gefärbten oder mit Gel im Klatschnasslook gestylten Achselhaare oder ihre Achsel-Dreadlocks. Oder sie haben sich da eine Glatze geschoren und sich in die Zeit vor der Pubertät zurückrasiert und geben sich als Achsel-Lolitas aus.

Und einmal im Leben macht ein Achsel-Getreuer per Schiff eine Pilgerfahrt nach Amerika und zehrt nachher den Rest seiner irdischen Tage von dem erhebenden Moment, als er von ihr willkommen geheißen wurde: von der Achsel der Neuen Welt, die freilich züchtig verschleiert ist. (Die Fackel ein bissl weiter oben kriegt er nur so nebenbei mit in seinem Achsel-Dusel). Sucht er freilich unverhüllte Attraktionen (Achseln mit „Intimrasur“), dann muss er nach Moskau. Da kriegt er gleich zwei Sehenswürdigkeiten für nur einen Blick: zwei proletarische Monumentalachseln auf einmal. Von einem Arbeiter und einer Bäuerin, die ihre Insignien (Hammer und Sichel) patriotisch in den einst sozialistisch realistischen Himmel recken. Vera Mukhinas Antwort auf die amerikanische Freiheitsstatue.

Und wieso hat wohl jener „Orthopäde“, der dem invaliden Laokoon aus der antiken Skulpturengruppe die erste Armprothese anpasste, einfach angenommen (fälschlicher Weise), die Greifextremität sei dramatisch ausgestreckt? Sicher wegen der Achsel-Ekstase. Um die heroische Powerachsel zu betonen. Oh ja, der Achsel in der Kunst gebührt eine Monografie. „Die Freiheit auf den Barrikaden“ von Delacroix: Eine Apotheose der Achsel. Eine Allegorie der Freiachselkultur. Barbusig und „barachselig“. In Raffaels „Triumph der Galatea“ stiehlt der Titelheldin gar die exhibitionistische Achselhöhle einer Komparsin die Schau. Botticellis geburtsfrische Venus hingegen hat introvertierte Achseln. Bei einem gschamigen Nackerpatzerl, das sich schüchtern alles zuhält, genieren sich halt auch die Achseln.

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