Telefonieren Sie wie ein Erzengel!

(Ob Aspirin dem Holofernes noch helfen hätte können, gegen seine Kopfschmerzen, und was Sie schon immer über Christi Empfängnis wissen wollten, sich aber nie zu fragen trauten.)


Ein bisserl komisch war’s anfangs schon, als der Mann von der Hoftafel- und Silberkammer plötzlich während der Führung den „Swiffer Staubmagneten“ zückte, eine Vitrine öffnete und resolut ins Geschirr hineinstocherte mit dem flexiblen Plastikgriff für schwer erreichbare Stellen, der sich wie Gummi biegt. Und mit dem Wunderwedel aus der Werbung eine Staubwedel-Kür hinlegte, die ihresgleichen suchte. Da waren alle baff.
In atemberaubendem Tempo wischte er hemmungslos Staub, der Virtuose, ohne ein Glas umzuschmeißen oder auch nur ein Schälchen zu verrücken, untermalt von anerkennenden Ah- und Oh-Seufzern und dem Gebrabbel einer japanischen Dolmetscherin, die seine weisen Worte, die er während seiner Performance sprach, übersetzte: „Vagessns Eana Staubtiachl! Da naiche Swiffer Staubmagnet kummt hi, wo ondre ned hikumman. Ko, wo ondre neama kennan.“ Dann verbeugte sich der Teufelswedler vor der fast hysterischen Meute, die ob der Akrobatik des „Paganini unter den Entstaubern“ frenetisch applaudierte.
Na ja, was sollen die armen Museen denn sonst tun, um an mehr Geld ranzukommen? Die Leut’ dort können ja wohl schwer auf der Kärntner Straße mit den Spendenbüchsen herumrennen („Rettet die Kunst!“). Und ein Kunstwerk durchzubringen ist schließlich teurer, als einen Wellensittich durchzufüttern. Die können nicht anders, als in den heiligen, kapitalschwachen Hallen Reklame zu machen und, immer wenn ein Museumsbesucher des Weges kommt, einem marmornen Barockengerl beiläufig mit einem Blatt Klopapier übers füllige Popscherl zu wischen und hallend auszurufen: „Cosy – so weich, dass man es blind erkennt!“ Ja, im Erzbischöflichen Dom- und Diözesanmuseum sind sie noch ein wenig bockig und wollen partout nicht bei einem Kruzifix publikumswirksam die „Bepanthen plus Wundcreme“ in die Seitenwunde reinschmieren oder einem gotischen Schmerzensmann die Stigmata laben mit dem neuen Flüssigpflaster: „Compeed Liquid – und Ihre Wunde ist vergessen.“
Aber die Raumaufsicht im Breughel-Saal im Kunsthistorischen Museum, die neben dem Winterbild stur die Atomic-Ski hält wie ein Skiweltmeister, mit siegessicherem Alpinblick und eingefroren wie Tiefkühlgemüse von Iglo, und sich durch nichts aus der gefriergetrockneten Fassung bringen lässt, gehört längst zum Inventar. Und der Franz-Joseph-Doppelgänger im Schloss Schönbrunn ist ein Touristenmagnet, wenn er zu jeder vollen Stunde durch die Repräsentationsräume wandelt, ein Bier in einem Zug austrinkt, sich majestätisch den erlauchten Bart in den Ärmel wischt und deklamiert: „Host ein Kaiser, bist ein Kaiser.“ Jubel. Und wenn die Reichskrone in der Schatzkammer einmal zum Service muss (zum Polieren und zum Nachzählen der Edelsteine), wird sie in der Hochsicherheits-vitrine vertreten von einer exakten Kopie. Von einer künstlichen weißen Schaumkrone auf einem riesigen Bierkrügel mit der Aufschrift „Kaiserbier“.
An die Werbeeinschaltungen im Audio-Guide hat man sich sowieso bereits gewöhnt. Dass der Kopfhörer einem vor dem Holofernes des Jan Liss etwa, der einem gerade seinen kopflosen, Blut spuckenden Hals unappetitlich in die Pupillen rammt, wertvolle Produktinformationen gibt: „Kopfschmerzen? Aspirin hilft.“ Oder vor einem Verkündigungsbild er-zählt, wie es wirklich war damals (Was Sie schon immer über Christi Empfängnis wissen wollten, sich aber nie zu fragen trauten): Maria hat ihr Handy nicht abgehoben oder es war schlechter Empfang und der Erzengel Gabriel wollte ihr nicht auf die Mailbox sprechen („Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade usw.“). Also hat er persönlich vorbeischauen müssen. Und das Preiszuckerl für heutige Verkünder? „Telefonieren Sie jetzt mit T-Mobile günstig zum Verkündigungstarif. Um nur einen Cent in alle Netze zwischen null und zwei Uhr früh!“
Tief beunruhigt hat mich erst eine unerwartete Entdeckung . . . (Fortsetzung folgt.)

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